Alles ist tiefviolett und erweckt den Anschein, dieser charmante Entwurf trage es in sich, ein nicht allzu gefühlsduseliger Selbstmordbrief zu werden. Etwas Unterhaltsames und Romantisches, über Spuren im Fleisch, einen Mann und ein Pferd, eine Wüste und Gerassel, Tantalos oder Sisyphos. Er hat in der Vergangenheit behauptet, sich wiederholt an dasselbe Thema herangewagt zu haben. Die Beispiele dafür sind zahlreich; sie liegen handgeschrieben auf einem Schrank, wurden veröffentlicht oder gingen verloren. Zu besseren Zeiten hat er oft gescherzt: Die Vergänglichkeit der Liebe, mein Steckenpferd. Das einzige Thema, das sich nun, da Not kein Gebot kennt, noch behandeln (oder in diesem Fall abhandeln) lässt. Eine schleichende Krankheit, die Ärzte vor Rätsel stellt. Ihre ängstliche Diagnose: Einheitsbrei.
Einer von ihnen sagt: Jeder Beginn eines Endes muss notwendigerweise doch auch ein neuer Anfang sein, aber er kann nur an ihre, gleichermaßen seine, Freunde denken. Daran, wie sie Zügellosigkeit verurteilen und er sein Bestes tut, sich damit abzufinden, so, als ob es ihnen ein Horoskop vorausgesagt hätte. Wenn nicht jetzt, dann morgen, womöglich nächste Woche.
Er findet Trost in den ihn auch weiterhin umgebenden Dingen: einer Stadt, wohin er, je nach Zugtyp, x Viertelstunden unterwegs ist, einem Dialekt, den er beherrscht, Freunden, die ihn verstehen oder es zumindest vorgeben; aber wie kann er jemals in Gänze davon überzeugt sein, dass sie es nicht nur deshalb tun, weil sie Heil in einer Logik finden, die sich selbst genauso oft widerlegt?
Wenn sie anruft, lässt er das Telefon manchmal unnötig lang klingeln, um dann auf bereits beantwortete Fragen zu antworten. Wie es ihm geht, was mit ihnen passiert, wo er gerade ist, wo er war. Er hat noch niemals zuvor so oft ich weiß es nicht gesagt und fürchtet sich vor einem Kinderspiel aus gefaltetem Papier, vier Hütchen auf Fingerkuppen, einer Zahl und einer Farbe, die eine Zukunft mit einem Schwimmbad, einem Auto, einem Kind oder einem Mädchen aus der Klasse voraussagen, das man heiraten wird, weil Himmel und Hölle es so vorgeben.
Sie zieht den Schluss, dass er alles in eine Waagschale gelegt hat, um mit zwei verschiedenen Maßen zu messen. Sind sie etwa keine Krieger? Eine seltene Rasse, die einen Baumwollfetzen wehen lässt, auf dem ein geflicktes Herz abgebildet ist… und dabei unvermeidlich auf einen neuen Rivalen wartet. Währenddessen wärmen sie lauen Kaffee in Mikrowellen auf und kosten den Nachgeschmack eines vagen Verlangens nach mehr.
Da ist ein ihn verfolgendes Bild eines Tretbootes inmitten eines Sees; eines Pärchens, das er gut kennt, auch wenn er sich ihnen völlig entfremdet hat. Ein Kanute rast an ihnen vorbei und kündigt einen Schatten an, der über die Hügelkämme schleicht, die aus einem Tal ein Tal machen. Eine Sonne – damals gab es noch zwei.
Eine von beiden funkelt auf einem Schmuckstück, das einem betreffenden Finger schmeichelt. Ein Lied spielt, das er nie mehr hören wird, und sechs Monate später hält sie ihm vor, das Teil zu verpfänden; er hofft, dass sie vom Erlös etwas Schönes kaufen wird, das ihr teurer sein wird, als er selbst es jemals vermochte.
Er kann nicht mehr zurück.
Auf der Titelseite einer Zeitung die soundsovielte wissenschaftliche Entdeckung, auf die nachher am Kaffeeautomaten, zwischen Vorträgen, tiefer eingegangen werden wird. Er wird dazu verpflichtet, sich wieder unter Menschen zu begeben, diesmal sind es Kollegen, und er gestikuliert, lacht unbewusst zu laut, ist erst verlegen, dann redselig, wenn nicht redekrank, und kommt im allerbesten Fall ehrlich herüber. Er verspricht, dieses Thema nie mehr zu behandeln. Lügt.